Samstag, 5. Januar 2008

Entschuldigen Sie, wo bitte geht es hier zu mir selbst?

Geschrieben am 7. Juli 2005 in Hamburg (Deutschland):

"Ich habe gehört, du fährst bald auf so einen Selbstfindungstrip?“ wurde ich neulich begrüßt. Selbstfindungstrip?! Ich war peinlich berührt...

...und fühlte mich irgendwie - ertappt! "Nun ja“, stammele ich und murmele etwas von „zehn Monate…Lima…La Paz…Santiago…Feuerland…Lebenstraum…Buenos Aires…lange gespart und so."Mit Trip bin ich soweit also einverstanden. Aber Selbstfindung? Das klingt nach Männergruppe („Klaus-Dieter, ich glaube du unterdrückst das innere Kind in dir.“) oder diskurstheoretischer Vaginalkunst. Und überhaupt: Heißt Selbstfindung nicht auch, dass ich mich selbst verloren habe oder schlimmer: noch nie gefunden? Schwang da etwa der Vorwurf mit, ich sei in der Postpubertät versackt und erst eine lange Reise in ferne Lande würde mir die nötige Reife verleihen, gemäß der Gleichung: Finden = Wissen = Gewissheit = Bewusstsein, also Selbstfindung = Selbstbewusstsein? Jemand der sich selbst gefunden hat, der ist zielstrebig, der kennt seine Stärken und Schwächen, den plagen keine Zweifel und sicherlich ist er oder sie der ganz große Checker. Ich selbst kann trotz meiner 25 Lenze nicht behaupten, diese Kardinalstugenden des 21. Jahrhunderts in mir vereint zu haben. Ich zweifle ständig an allem und jedem, fünf Jahre diffuser Uni-Wust haben mein Lebensziel bislang nicht zu Tage fördern können, ich staune immer wieder über mich selbst und wo der Frosch die Locken haben soll, bleibt mir bis heute verborgen. Wäre da nicht dieser Versagensängste hervorrufende Beigeschmack, würde ich sagen, dass mir ein wenig Selbstfindung gar nicht schaden könnte. Und, ja klar will ich auf meiner Tour was erleben und beabsichtige, mein Selbst davon nicht auszuschließen. Bleibt die Frage, was genau ein erfolgreicher Selbstfindungstrip beinhalten muss: Werde ich orangefarbene Kutten tragen und wird mir von Zeit zu Zeit ein „Hare Krishna“ entfahren? Werde ich mich gegrilltes Meerschweinchen essend in einem Fass die Iguazú-Fälle hinabstürzen oder mich nackt im Urwald aussetzen lassen, um das Balzverhalten der Argusfasane zu erforschen? Ist „Selbstfindungstrip“ eigentlich eine Beleidigung? Hoffentlich werde ich mich beim Anblick meiner selbst nicht erschrecken! Und dann? Ende gut, alles gut? Oder sollte ich mich gar trotz Trip nicht finden? Ich bekomme Magenschmerzen.

„Ja, weißt du“, schwafelt mein gleichaltriges Gegenüber weiter, „seit meiner Hochzeit bin ich selbst viel gefestigter! Das hat mir auch im Büro noch einmal ein ganz anderes Auftreten verschafft. Fehlen nur noch die Kinder…“. Ich stutze: Hochzeit und Büro? Kinder?! Plötzlich finde ich es gar nicht mehr so übel, mit 25 Jahren noch auf der Suche zu sein. In Wahrheit will ich einfach nur eine gute Zeit haben!